Ausgabe 01 | 2023

Vertrauen unerwünscht

Arbeitszeiterfassungssystem ist Pflicht.

Vertrauen unerwünscht

Arbeitszeiterfassungssystem ist Pflicht.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung zur Erfassung der Arbeitszeit verkündet hatte (BAG, Beschluss v. 13.9.2022, Az. 1 ABR 22/21), war die mediale Berichterstattung bemerkenswert. „Alle Arbeitgeber müssen seit dem 13. September 2022 ein Arbeitszeiterfassungssystem für die Mitarbeiter errichten“. Wer etwas genauer hinsieht, stellt fest, dass § 3 Abs. 2 Nr.1 Arbeitsschutzgesetz, aus dem das BAG in europakonformer Auslegung eine Erfassungspflicht ableitet, bereits seit dem 21. August 1996 besteht. Wieso das seitdem offenbar niemanden so richtig interessiert hat, hat einen einfachen Grund: die Regelung ist derart weit formuliert, dass man schon sehr viel Fantasie haben muss, um zu den Schlüssen zu kommen, zu denen das BAG gekommen ist.

Die Frage der Zeiterfassung

Bei der Frage der Zeiterfassung müssen also „die Umstände, Art der Tätigkeit sowie die Anzahl der Beschäftigten berück- sichtigt“ werden. Es gibt sicherlich gute Gründe, die je nach Art und Weise der Beschäftigung gegen eine Zeiterfassung spre- chen, zum Beispiel die hoch gepriesene Vertrauensarbeitszeit – gerade an denen seit der Pandemie hochgeschätzten Telear- beitsplätzen (z.B. Homeoffice). Alle über einen Kamm zu sche- ren, ist fehl am Platze.

Und jetzt?

Dass Betriebe Ärger von Behörden bekommen, weil sie die Ar- beitszeit nicht erfassen, ist angesichts der sich abzeichnen- den gesetzlichen Änderungen unwahrscheinlich. Das Bundesarbeitsministerium wird voraussichtlich im ersten Quartal 2023 einen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz machen. Solange können Arbeitgeber es mit der Arbeitszeiterfassung so halten wie bisher. Wer schon jetzt etwas ändern möchte: es gibt keine Vorgaben, wie die Arbeitszeit erfasst wird. D.h. Stift und Block tun es auch. Außerdem kann man die Erfassung der Arbeitszeit den Mitarbeitern überlassen. Dann sollte man aber überprüfen, ob sich zu den dokumentierten Zeiten nicht die ein oder andere Über- stunde hinzugesellt. So verspielt man Vertrauen, liebes Bundesarbeitsgericht.

Bei Fragen und weiteren Infos:

Christian Hagemeyer
Tel: 0211-92595-26
E-Mail: hagemeyer@kfz-nrw.de

§ 3 Arbeitsschutzgesetz Grundpflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicher- heit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

(3) für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen.