Ausgabe 03 | 2024
Titelthema
Der Neuwagenhandel steckt in einer Transformation.
Totenhaus Autohaus?
Der Neuwagenhandel steckt in einer Transformation. Agenturgeschäft, Digitalisierung und Online-Vertrieb verlangen nach neuen Ideen und Geschäftsmodellen. So stellt sich vor allem die Frage: Hat das Autohaus vor Ort noch eine Zukunft?
Bereits heute bestehen die virtuellen und die analogen Verkaufsprozesse nebeneinander. Die Kaufanbahnung beim Kunden startet so gut wie immer in der digitalen Welt. Man sucht nach ‚seinem‘ Wagen im Internet, konfiguriert, vergleicht Preise – und macht sich erst danach auf den Weg ins Autohaus. Denn das Produkterlebnis spielt immer noch eine wichtige Rolle und gleiches gilt für Probefahrten und Beratungsleistungen, z. B. in Sachen Finanzierung oder Leasing und vor allem den Gebrauchtwageneintausch.
Trotzdem bieten immer mehr Autohersteller – neben dem klassischen – auch den reinen Online-Verkauf an. Der Anteil des digitalen Autoverkaufs, von A wie Anbahnung bis Z wie Zulassung, hat aktuell noch keine 5 Prozent am verkauften Fahrzeugvolumen. Der Trend geht aber in diese Richtung!
Der klassische Autohausunternehmer muss sich auf die veränderten Rahmenbedingungen bei Verkaufsprozessen und Geschäftsmodellen einstellen, um neuen Herstellervorgaben und Kundenanforderungen zu genügen.
AGENTURSYSTEM
Beim Agenturmodell wird der Vertragshändler im Neuwagengeschäft zum Vermittler. Hersteller oder Importeure nehmen dadurch noch stärkeren Einfluss auf die Arbeitsprozesse. Das „Autohaus“ wandelt sich damit vom Weiterverkäufer mit Marge hin zum Auslieferungsabwickler und Provisionsempfänger. Zwar können so einheitliche Endverkaufspreise aufrecht erhalten werden und Rabattschlachten verhindert werden. Für den Agenten würde theoretisch das eigene unternehmerische Risiko bei der Finanzierung von Lagerwagen und Verkaufspersonal reduzieren; die Praxis sieht dennoch anders aus. Oftmals bleibt alles beim Alten. Einzig Hersteller und Importeure profitieren vom direkten Zugriff auf die Kundendaten, denn die Käufer sind nicht mehr Kunden des Autohauses sondern des Herstellers.
DIGITALISIERUNG ALS CHANCE
Gut beraten ist der Fahrzeughandel, wenn möglichst viele Kommunikationskanäle im Vertriebsprozess genutzt werden, z. B. Online-Terminvereinbarungen für Probefahrten oder individuelle Finanzierungsangebote über die eigene Homepage. Dazu bietet die Digitalisierung auch Möglichkeiten der besseren Ansprache von bestimmten Zielgruppen. Gerade die internetaffinen Kunden kaufen dort, wo sie den „besten“ Preis bekommen.
Als Belohnung gibt es gute Bewertungen, quasi als neue digitale Währung. Sie machen analoge Werbung zunehmend obsolet.
Doch über das eigentliche Kaufereignis hinaus gilt: das Autohaus hat nach wie vor seine Berechtigung, denn die Autobauer brauchen weiter Präsenz vor Ort. Die sorgt vor allem für den Umsatz von Originalersatzteilen und Dienstleistungen – und ein guter Service vor Ort verkauft dem Kunden erfahrungsgemäß das nächste Auto. Eine alte Weisheit, die auch langsam bei den neuen Marktplayern aus Fernost ankommt.
HÄNDLER UNTER EIGENER FLAGGE
Neue Geschäftsmodelle werden geboren, wenn die Gewinnmargen schrumpfen: Ehemals selbstständige Autohändler werden derzeit entweder zuhauf von Gruppenhändlern übernommen oder schließen sich zu Vertriebskooperationen zusammen, um finanzielle Vorteile zu haben, indem sie Synergieeffekte nutzen können. Solche Händler-Allianzen versuchen darüber hinaus, eine eigene Marke aufzubauen, z. B. im Gebrauchtwagenbereich. Damit machen sie sich – online und offline – als Plattform zum Anbieter verschiedener Marken und damit von Herstellern unabhängiger. Von der „0 km Tageszulassung“ bis zum „3 Jahres Leasingrückläufer“ ist beim selbsternannten „Autodiscounter“ für fast jeden Kunden etwas dabei, der sich bewusst gegen einen klassischen Neuwagen vom Vertragshändler entscheidet.
Natürlich kämpfen auch diese Geschäftsmodelle mit Problemen, die sich insbesondere aus dem verstärkten vertrieblichen Engagement der Hersteller ergeben. Mit dem Direktvertrieb verändert sich die Verfügbarkeit von jungen Gebrauchtwagen. Das Aufspüren attraktiver Gebrauchter ist eine zunehmende Herausforderung für die Discounter.
Im „Auto-Supermarkt“ findet der Kunde das Produkterlebnis und kann Produkte und Preise markenübergreifend vergleichen. Er findet damit die Transparenz aus der digitalen Welt an einem physischen Ort.
Mit neuen Geschäftsmodellen wie diesem könnte das Autohaus wieder zu dem werden, was es lange Zeit war: zur Erlebnisstätte für den Kunden und Entfaltung freien Unternehmertums.