Ausgabe 06 | 2023

Titelthema

Autohausunternehmer/in über das Agenturmodell.

Agent 007 – null Erfahrung, null Prozente , dafür sieben Siegel

Kann der Hersteller Handel besser als die Profis? Was erwartet die künftigen Agenten?


Die Pandemie, verändertes Kundenverhalten und auch die Digitalisierung hat dem Automobilhandel zugesetzt und zwingt die Branche zum Umdenken. Dazu kommt der immer stärkere Online-Handel, der die Margen unter Druck setzt. Deshalb überlegen sich die Hersteller Alternativen zum klassischen Vertriebsweg über Neuwagen-Händler. Eine davon ist das Agentursystem.  
Beim Agenturmodell ist der bisherige Vertragshändler ein Vermittler. Autohäuser sind im Agenturmodell zuständig für Kundengewinnung und Betreuung, Probefahrten, Wartungen und Service und die Auslieferung der Fahrzeuge. Demzufolge bekommt der Agent vom Hersteller eine fixe Provision für erfolgreiche Vermittlungen von Fahrzeugen anstatt einer Marge, deren Höhe sich aus der individuellen Preiskalkulation im Zusammenspiel Händler – Kunde bestimmt.
Die größten Gewinner scheinen die Kunden zu werden: eine Preisgestaltung vom Hersteller und eine feste Provision sorgt für Preistransparenz, da das Einholen von Hauspreisangeboten beim Agenturmodell entfällt. Wo keine Preise mehr verglichen werden, sind Verhandlungsgespräche auch nicht mehr nötig.
Für die ehemaligen Händler und neuen Agenturpartner steckt der Teufel im Detail. Die Grenzen zwischen „echtem“ und „unechtem“ also fairen und unfairen Agenturmodell sind fließend. Vor allem lassen viele Hersteller ihre „Partner“ völlig im ungewissen über die konkrete Ausgestaltung der neuen Partnerschaft. Prominentes Beispiel: Stellantis. Der Multi-Brand-Konzern hält es offenbar nicht für nötig, seinen Agenten im Umstieg auf das neue System Planungssicherheit zu geben. So gut wie keine Informationen haben die neuen Stellantis-Agenten bisher von der Konzernspitze erhalten. ŠKODA übt da offenbar mehr Transparenz.

Nina Trimpop, Autohausunternehmerin aus Lüdenscheid:
„Bei ŠKODA sind die Rahmendaten für den Agenturvertrag kürzlich auf der Händlerverbandstagung in Berlin bekannt gegeben geworden. Und ich muss sagen, unser Händlerverband hat hier wirklich sehr gute Arbeit geleistet und Bedingungen ausgehandelt, die wir Händler akzeptieren können. Wie sich das Ganze in der Praxis darstellt, wissen wir aber alle noch nicht. Wie sich welche Kosten in Zukunft aufteilen werden, vor allem auch, weil wir neben der Agentur für die Elektrofahrzeuge noch den klassischen Händlervertrag für die Verbrenner behalten, wird sich zeigen. Welche Flächen für Ausstellungsfahrzeuge in Zukunft benötigt werden ist unklar, aus diesem Grund würde ich große Investitionen in diesem Bereich in der aktuellen Situation mehrfach überdenken.

Für mich persönlich ist es zweitrangig, ob es sich hierbei um ein Agentur- oder ein klassisches Vertriebsgeschäft handelt, solange die Marge stimmt, wir als Händler ernst genommen werden und unsere Leistung und unser Einsatz vor Ort am POS wertgeschätzt wird. Das jetzige Vertriebssystem stellt sich ja oft so dar, dass große Gruppen den Fahrzeughandel als Mischkalkulation betreiben. Um Boni zu bekommen, werden bestimmte Fahrzeuge teils unter Einkaufspreis verkauft, damit die Stückzahlen stimmen. Kleine Händler, die mit den Budgets nicht so jonglieren können, haben dann – was das rein preisliche Angebot angeht – einen Nachteil. Wenn das durch den Einheitspreis der Agentur aufhört und der Hersteller/ Importeur den Preis festlegt, kommt es einzig und allein darauf an, dass dieser die Fahrzeuge richtig im Markt einpreist. Stimmt der Preis, kauft der Kunde da, wo er sich am besten aufgehoben fühlt. Die Betreuung der Kunden rückt in den Vordergrund. Wichtig ist, dass diese Arbeit auch gesehen und angemessen vergütet wird.

Ein weiterer Punkt, den wir noch nicht abschätzen können, ist der Wert der Kundendaten im Agenturvertrieb. Momentan sind die Kundendaten „unser Eigentum“ und wir holen die Freigaben der Kunden ein, dass der Hersteller informiert wird. Wenn wir nur Vermittler sind, liegt die Hoheit über die Kundendaten beim Hersteller. Was das am Ende für uns bedeutet, ist völlig offen.“
Mercedes hatte schon von jeher seine Partner als Agenten behandelt. Doch auch hier gibt es jetzt Veränderungen. Bereits 2022 hatte Mercedes sein neues Agentur­modell in Österreich erprobt. Dabei zeigte sich deutlich die Unerfahrenheit der Stuttgarter in der Abwicklung operativer Prozesse, die bisher den Partnern überantwortet waren.

Paul Witteler, geschäftsführender Gesellschafter eines Mercedes-Autohauses in Brilon:
„Bei Mercedes waren wir immer schon im Agentursystem aktiv. Seit dem Sommer sind wir nicht mehr „unechter Agent“, sondern als echte Agentur tätig. Dies hat zur Folge, dass z.B. der Vorführwagenfuhrpark nicht mehr in unserer Verantwortung ist. Verbunden ist dabei aber auch ein erheblicher Verlust der Marge.
Vorteilhaft ist für uns, dass das Risiko der Vorratshaltung genommen wird. Für den Kunden ist mehr Klarheit geschaffen worden, da es jetzt einheitliche Neuwagenpreise gibt, und es ihm dadurch leichter fällt, beim Händler seines Vertrauens zu kaufen. Die Abhängigkeit vom Hersteller nimmt damit aber zu: Wie schnell wird auf Veränderung des Marktes reagiert? Sind die Fahrzeuge mit der richtigen Ausstattung im Portfolio? Inwieweit sind Anpassungen an die Regionen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen möglich? Diese Themen haben wir nicht mehr in der Hand. Entscheidend ist letzten Endes, wie das Agenturmodell von allen Seiten gelebt wird.“

Auch in ihrer angestammten Rolle als Händler haben sich die Autohausunternehmer in den letzten Jahren bei der Kaufanbahnung immer abhängiger von externen Dienstleistern wie autoscout24 oder mobile.de gemacht. Volkswagen platzierte im Verbund mit Mercedes mit Heycar eine eigene Plattform – keinesfalls zum Vorteil seiner Partner. Wird sich diese Abhängigkeit von dritten Handelsplattformen mit den neuen Agenturmodellen abschwächen?

Paul Witteler: „Wir müssen sowieso auf allen Kanälen unterwegs sein, wo sich unsere Kunden bewegen. Mit unserer eigenen Internetpräsenz oder über die Hersteller sollten wir das akute Kaufinteresse befriedigen können. Weitere herstellerunabhängige Neuwagen-Plattformen benötigen wir darüber hinaus nicht. Im Agenturgeschäft bieten diese Internetplattformen keinen weiteren Vorteil.“
Nach wie vor hat der Online-Kauf im Autogeschäft aber seine Grenzen.

Nina Trimpop: „Wir nutzen das Internet und die Portale aktuell nur als Informationsmedium für die Kunden. Der Vertrag wird persönlich vor Ort geschlossen. Um den Internethandel rechtlich sauber aufzustellen, sind viele Dinge nötig. Bei Neubestellungen machen wir die Erfahrung, dass unserer Kunden sich zwar vorinformieren, aber trotzdem dankbar für Empfehlungen und den gemeinsamen Feinschliff an der Konfiguration eines Neuwagens sind. Die Konfiguratoren der Hersteller sind für die Kunden teilweise unübersichtlich und können die Bedarfsanalyse und Beratung eines Verkäufers nicht ersetzen. Dies könnte natürlich auch über Online-Medien oder Videoanrufe geschehen. Hier ist unsere Erfahrung, dass der Besuch im Autohaus mit einem persönlichen Gespräch, um den Vertrag abzuschließen, nach wie vor gefragt und sinnvoll ist. Bei Lagerware sieht es natürlich anders aus – hier liegt der Fokus auf der schnellen Verfügbarkeit. Wichtigstes Kriterium ist hier, dass die Online-Präsentation hundertprozentig das vorhandene Fahrzeug zeigt und keine bösen Überraschungen auf den Kunden warten.“